Nanna
Die Göttin Nanna ist wie die Sif eine Ausprägung der Natur. Sie ist die Blütenpracht des Sommers. Wenn wir im scheidenden Frühjahr und beginnenden Sommer durch die Natur schlendern und staunend und überwältigt auf einer bunten Blumenwiese stehen mit ihren Tausenden und Abertausenden Blüten, dann wissen wir, welche Kraft die Göttin Nanna darstellt. Sie ist die verschwenderische Pracht und Fruchtbarkeit der Erde im Mai, wenn sie jedem zeigen will, welch unermeßliche Anzahl von Pflanzen auf ihr wachsen und wie farbenfroh sie sind.
Nanna ist die Frau des Sonnengottes Baldur und die Mutter des Forseti, des Gottes der Rechtsprechung. Sie wird erwähnt im Gylfaginning im Zusammenhang mit Baldurs Tod und seiner Bestattung. Baldur wird nach altem Brauch auf einem Schiff aufgebahrt, dieses dann in Brand gesetzt und aufs offene Meer geschoben. Seine Frau Nanna ist von seinem Tode so getroffen, daß sie vor Kummer stirbt. So wird auch sie auf dem Schiff aufgebahrt und fährt mit Baldur in die Unterwelt, zur Hel. Die Hel ist ein freundlicher Ort. Bei Hermods Besuch ‹siehe Baldurartikel› sendet nicht nur Baldur als Zeichen seines angenehmen Aufenthaltes den Ring Draupnir an Odin zurück, auch Nanna sendet der Frigg einen Mantel und der Fulla einen Goldring.
Die naturmythologische Verbindung zwischen Baldurs und Nannas Tod ist klar: Baldur ist die Sommersonne auf der Höhe ihrer Kraft, Nanna die Erde in ihrer größten Blüte. Wenn das eine vergeht, muß das andere folgen. Der ewige Tag muß den wieder länger werdenden Nächten langsam weichen, und die Blütenpracht wird von dem Reifen der Früchte, der Ernte und schließlich dem Herbst abgelöst.
Nanna und Sif sind Zeichen der Natur, unserer Mutter Erde, die Fruchtbarkeit mit ihrer verschwenderischen Pracht, den vielfältigen Farben, Formen und Düften und die reife Frucht der Felder, die Ernte und Nahrung für ein ganzes Jahr.